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HIMMEL & ERDE

  • Autorenbild: Deborah Renger
    Deborah Renger
  • 15. Mai
  • 5 Min. Lesezeit

Geschwindigkeit rausnehmen.

Aus dem Alltag des ständig „ON“-Seins auszubrechen – das war mein großer Wunsch. Ich wollte raus, um meine Umgebung und all die wundervollen Dinge, die ich jeden Tag erleben darf, wieder wirklich spüren zu können. Wisst ihr eigentlich, wie schwer das ist? Nicht von einem Highlight zum nächsten zu hetzen und dabei kein schlechtes Gewissen zu haben, dass man vielleicht etwas verpasst? Ich meine – diese Reisezeit, die ich gerade erlebe, werde ich so schließlich kein zweites Mal haben.

In den letzten Tagen hat sich bei mir ein regelrechter Drang eingestellt, das Maximum aus jeder einzelnen Minute herauszuholen. Und genau deswegen möchte ich euch heute einen kleinen Einblick geben – nicht nur in die ganzen wunderschönen Orte, die ich bisher gesehen habe, sondern auch in das, was innerlich bei mir passiert ist.

Jeden Tag, ab dem Moment, an dem ich aufwache, bin ich direkt bei 100%.

Erste Frage: Was mache ich heute?

Zweite Frage: Wo schlafe ich heute?

Dritte: Ist es dort sicher?

Vierte: Was gibt’s heute zu essen?


Solche Fragen wirken zu Hause in gewohnter Umgebung total banal – aber unterwegs können sie auf Dauer echt belastend sein. Und jetzt stellt euch dazu noch vor: Ein Mensch, der unbedingt ALLES sehen muss, was in den wunderschönen Reiseführern steht – komme, was wolle. Das bin ich.


Das hat dazu geführt, dass ich einfach nur noch gestresst war – ja, wirklich gestresst – und irgendwie auch innerlich blockiert. Ich wusste oft gar nicht mehr, was ich als Nächstes tun soll. So bin ich von einem Ort zum anderen gefahren, war dort kurz, und bin dann wieder weiter, genau in dem Moment, in dem es eigentlich schön wurde.

Erst jetzt begreife ich: Mein Ziel, in einem Monat in Andalusien zu sein, ist absolut utopisch – zumindest, wenn ich weiterhin alles sehen will (denn, ihr wisst ja, man könnte ja was verpassen…).


Das große Motto für die nächsten Wochen, das ich mir am liebsten auf die Stirn schreiben würde, lautet also:Lass dir Zeit.Du musst nicht alles sehen.Das, was du siehst, sollst du fühlen – und das geht nicht, wenn du innerlich schon wieder beim nächsten Stellplatz bist.

So. Genug vom Gefühlschaos.


Eine Sache muss ich noch loswerden: Nordspanien wird mich wiedersehen.Ich bin mittlerweile in Portugal angekommen und tippe diese Zeilen, wohl wissend, dass keine Worte dem gerecht werden, was ich in Nordspanien erleben durfte.



San Juan de Gaztelugatxe

Das erste Mal auf meiner Reise ohne Netz zu sein – das war schon ein großes Ding. Man fühlt sich irgendwie unsicher, aber ehrlich gesagt: Ich habe schon lange nicht mehr so gut geschlafen.

Am nächsten Morgen wollte ich von meinem Stellplatz aus in Richtung San Juan de Gaztelugatxe aufbrechen. Der Plan: ein 7 km langer Spaziergang zur Insel. Aber das Wetter machte mir einen Strich durch die Rechnung. Regen war angesagt – und ganz ehrlich: Ich hatte einfach keine Lust, danach in einem nassen Van rumzuhängen, bei Aussicht auf weitere Regentage.

Also Plan B: Ich fuhr kurzerhand zum nächstgelegenen Mini-Parkplatz, quetschte mich zwischen zwei große Vans und stellte mir die Frage „Wie komm ich hier bloß wieder raus?“ – aber das war zu diesem Zeitpunkt einfach egal. Spoiler: Rückwärts-Slalom über den gesamten Parkplatz war die Lösung. Sehr bewährte Ausparkmethode übrigens, wenn Menschen heiß auf deinen Platz sind und sich direkt davorstellen.

Dann startete mein Spaziergang. Es ging steil bergab. Ich wunderte mich schon, warum mir die französische Schulklasse keuchend und stöhnend entgegenkam und rief: „Nie wieder Kardio!“. Ich schlenderte gemütlich weiter – und dann:

Ein Ausblick wie aus einer anderen Welt.



Geschichte der Insel könnt ihr gern hier nochmal nachlesen:


„Seit jeher strebt der Mensch nach Transzendenz, nach der Verbindung mit dem Göttlichen – an Orten, die Himmel und Erde verbinden. San Juan de Gaztelugatxe ist so ein Ort. Seit dem 11. Jahrhundert pilgern Menschen hierher, haben Angriffe überstanden, Plünderungen, Feuer – aber die Kapelle wurde immer wieder aufgebaut. Bis heute kommen Tausende, um zu beten, zu danken oder einfach, um diesen besonderen Ort zu erleben.“


Ich stieg die Stufen hoch – früher waren es 365, heute sind es etwas weniger – und konnte kaum glauben, was ich sah. Überall saftiges Grün, üppige Pflanzen, wilde, unberührte Natur. Die Insel wirkte fast, als würde sie über den Wolken schweben. Obwohl sie zur Hochsaison täglich von sehr vielen Menschen besucht wird, hatte ich das Gefühl, dort ganz allein zu sein. Zeit zum Nachdenken. Zeit, um einfach dankbar zu sein.

Der Rückweg hatte es in sich: Start mit Pulli und Regenjacke, Ende mit hochrotem Kopf und nassem Shirt. Die französische Schulklasse hatte recht. Ich hab wirklich keine Kondition.

Zurück im Van: Weiter geht’s – raus aus dem Regenloch. Ich fuhr nochmal knapp 300 km weiter bis zum Playa de las Catedrales. Ein Strand, der auf Google Maps schon vielversprechend aussah – und mit kostenlosem Stellplatz auf den Klippen.

Kontrastprogramm hoch zehn. Von der heiligen Insel zur imposanten Küste. Die Nacht war ruhig, die Nachbarn nett. Am nächsten Morgen war ich fast allein am Strand. Unfassbar. Ich kann’s kaum glauben, dass das bald alles Eintritt kostet – zur Hochsaison im Juni ist hier sicher alles anders. In der Hochsaison werden hier nur 3000 Besucher pro Tag eingelassen. Für mich derzeit undenkbar da ich allein an diesen Strand war.

Was dieses Erlebniss für mich so besonders macht: ich fühlte mich richtig geerdet, von so weit unten die imposanten natürlichen Bögen aus Gestein beobachten zu können. Die Sonne schien am Morgen üer die Klippe wie als würde Sie durch Fenster einer Kathedrale scheinen. Einfach magisch!





Ich wollte eigentlich noch eine Nacht bleiben. Aber meine innere Unruhe hatte wieder andere Pläne. Also fuhr ich weiter – zu einem Stellplatz direkt am Strand. Vanlife-Klischee deluxe: Morgens aufwachen, Meerblick inklusive.

Die Anfahrt? Naja – nennen wir’s „Offroad light“. Ich fuhr mit zittrigen Knien über eine holprige Zufahrt und verdrängte, dass ich da ja auch wieder rausmuss. Aber am Ende war’s gar nicht so wild.

14 Grad Wassertemperatur – mit etwas Überwindung und Support, bin ich dann doch reingehüpft. Und erst am nächsten Tag las ich das Schild: Portugiesische Galeere. Wem das nichts sagt: Quallenart. Hautausschlag im besten Fall, lebensgefährlich im schlimmsten. Ich lebe noch. :)






Santiago de Compostela

Am nächsten Tag stand ein neues Ziel auf dem Plan: Santiago. Stadt und Kathedrale erkunden.Die Atmosphäre auf dem Platz vor der Kathedrale war magisch.Singen, beten, weinen – Pilger, die nach Wochen oder Monaten endlich angekommen waren. Ich fühlte mich fast ein bisschen schuldig, einfach mit dem Van gekommen zu sein.

Der Besuch in der Kathedrale – beeindruckend. Weihrauchgeruch, imposante Mauern, goldener Altar. Kein Foto kann das je einfangen. Danach schlenderte ich durch die Altstadt. Pilger, die sich Wein gönnten, lachten und feierten.

Aber auch: Souvenirläden an jeder Ecke. Kruzifixe in allen Preiskategorien. Hostels überall. Die Menschen, die hier wirklich leben, sind längst in die weniger schönen Randgebiete verdrängt worden. Die Kehrseite des Pilgertourismus.




Ich blieb nicht lang – fuhr weiter nach Galizien, in ein kleines Naturschutzgebiet. Dort fand ich den süßesten kleinen Campingplatz, den ich bisher gesehen habe.

Anfangs dachte ich, das sei gar kein richtiger Platz. Aber er hatte gute Bewertungen. Ich hielt an – dringend duschen war angesagt. Der Besitzer: ein alter Spanier mit Schilddrüsenunterfunktion (glaube ich), kein Wort Englisch. Mit Händen und Füßen erklärte ich ihm, dass ich zwei Nächte bleiben möchte.

An der Rezeption regelten wir alles mit viel Herz und wenig Worten – bar bezahlt, Rest selbst erschlossen. Ich wollte den lieben Mann nicht überfordern.

Ein nettes österreichisches Paar lernte ich noch kennen. Wir sprachen über Vans und meine dürftigen Spanischkenntnisse. Sie empfahl mir einen Podcast zum Spanischlernen, der jetzt ab und zu läuft, wenn ich unterwegs bin.


Eins muss mann dem Platz wirklich zuschreiben Meerblick wird hier groß geschrieben und am Abend konnte ich Delfine in der Bucht beobachten.

So lies ich glücklich das ich es bis jetz hierher geschafft habe die Woche ausklingen.




 
 
 

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